Big History in der schulischen Praxis.


Praxis II - Big History als Rahmen

Die Informationen in diesem Teil sind dem Artikel Towards a Big History Model for Italian Schools: The Convergence of Knowledge from Many Disciplines* im Journal of Big History Volume II, Number 1 entnommen.

Auf dem Weg zu einem Big History Modell für italienische Schulen: Die Zusammenführung von Wissen aus vielen Disziplinen

In Italien beginnt das Studium von Big History mit einem Fragebogen, der die spontanen Vorstellungen, die Schüler bis dahin über das Universum erworben haben, zutage fördern soll. Diese stammen schließlich nicht nur aus vorangegangener Schulbildung, sondern kommen auch aus den sozialen Netzwerken, den Medien und der familiären Umgebung der Schüler.

Das Institut für Lehrerbildung OPPI (Organizzazione per la Preparazione Professionale degli Insegnanti) in Mailand sieht Big History als bedeutsame Ressource für einen Unterricht, der die technologischen Innovationen, die das Weltbild heutiger Schüler prägen, mit einbezieht.

Der hierfür entwickelte Fragebogen (Abbildung im oben verlinkten Artikel) basiert auf der Vorstellung von Gardner, dass Menschen eine Mischung verschiedener Arten von Intelligenz nutzen. Die Schüler können dabei auf sehr persönliche Weise kreativ werden, wie die Beispiele im Artikel zeigen, denn es bleibt Ihnen überlassen, ob sie etwas dazu schreiben, zeichnen oder Bilder suchen, die ihre Vorstellungen ausdrücken.

Im Anschluss daran erarbeiten die Schüler ausgehend von ihrem Fragebogen eine Concept-map.

Dazu und zum Unterschied zu Mindmaps siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Concept-Map

Das italienische Modell ist ein Projekt, das über zwei Schuljahre verläuft und insgesamt 80 Unterrichtsstunden umfasst. Die Schüler sind 16-17 Jahre alt.

Erstes Jahr:
Entsprechend der Interessen, die sich in Fragebogen und Concept-map zeigen, werden die Schüler in der ersten Phase in fünf Gruppen eingeteilt, und jeder Gruppe wird ein Teilbereich von Big History zugeteilt: Ursprung des Universums, Entstehung des Sonnensystems, Leben, Menschen, Neuzeit.

In das Projekt einbezogen werden Lehrer aller Fächer. Erfahrene Tutoren für Big History machen die Lehrer zu Beginn des Projektes mit Big History vertraut und heben hervor, dass im Schullehrplan diese Inhalte den Schülern zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlichen Zielen getrennt präsentiert werden. Sie können jedoch miteinander verbunden werden, um eine einheitliche Darstellung der Geschichte des Universums und des Menschen in ihm zu vermitteln. Die Tutoren besprechen dann mit den Lehrern, welche Beiträge jedes Fach zu dieser einheitlichen Darstellung leisten kann. Sogar die Lehrer, die Sprache und Literatur unterrichten, können in dieses Projekt eingebunden werden, wie im Artikel:  Big History through the lens of big literature beschrieben. (Englisch) Indem Konzepte aus jeder der neun Schwellen der Big History identifiziert und dann Werke der Literatur, darunter Theaterstücke, Gedichte, Kurzgeschichten, Essays und Romane, ausgewählt und verwendet werden, um diese Konzepte zu veranschaulichen und zu überprüfen.

In zwei Stunden pro Woche erarbeiten sich die Gruppen begleitet von einem Fachlehrer anhand verschiedener Ressourcen das jeweilige Thema. So verwenden sie unter anderem die Materialien des zuvor schon besprochenen Big History Projektes. Der Tutor unterstützt sowohl Lehrer als auch Schüler aus der Ferne über eine E-Learning-Plattform, kommentiert die von den Arbeitsgruppen wöchentlich eingereichten Aufzeichnungen, und fördert die Zusammenführung der Disziplinen, um Ereignisse der Geschichte des Universums zu verbinden, die normalerweise getrennt behandelt werden.

In einer zweiten Phase werden die Schüler neu gemischt, so dass in jeder neuen Gruppe jeweils ein Schüler der fünf Ausgangsgruppen ist, und somit jeder Gruppe das insgesamt erarbeitete Wissen zur Verfügung steht. Das Ziel der zweiten Phase ist es, am Ende ein Produkt zu haben, dass die erarbeitete Darstellung des Universums veranschaulicht. Das Medium wählen die Schüler selbst: ein Dokumentarfilm, ein Video-clip, ein e-Buch, Comic, Wandgemälde, Computeranwendungen, sogar ein Lied, Essay oder eine Concept Map.

Zweites Jahr:
Nun wird ein geografisches Gebiet durch die Linse von Big History betrachtet. Hierfür wird der Little Big History Ansatz verwendet. Die Geowissenschaften bilden dabei den Kern der Arbeit mit Big History, da die biologische und kulturelle Entwicklung des Menschen eng mit der geologischen Entwicklung eines Gebietes zusammenhängen. Der Artikel zitiert hier Will Durant, 1946 
„Die Zivilisation existiert durch geologische Zustimmung, die sich ohne Vorankündigung ändern kann.“ (eigene Übersetzung)

Jede Gruppe erhält die Aufgabe eine bestimmte Zeitspanne in der Geschichte des ausgewählten Gebietes zu untersuchen, wobei die geologische Evolution des Gebietes über die Zeit und im Raum als gemeinsamer Nenner dient und die Arbeit der Gruppen miteinander verbindet. Das Ergebnis des zweiten Jahres ist es, ein konzeptuelles Modell des komplexen räumlichen und zeitlichen Beziehungsgeflechts im untersuchten Gebiet zu erstellen. Hierbei müssen die Gruppen zusammenarbeiten. Auf diese Weise werden die abstrakten Schwellenmomente verständlicher. Die Schüler erhalten einen anderen Blick auf das Gebiet, in welchem geologische, biologische und kulturelle Aspekte eng miteinander verbunden sind. (Im Pilotprojekt zum Ossola Tal entstand dabei eine Smartphone App.)

Vorteile des italienischen Ansatzes sind, dass es keiner Veränderung des Lehrplanes bedarf, sondern lediglich 80 Stunden, verteilt über zwei Jahre für 16-17 jährige Schüler(Vielleicht könnte man hier ja die im Lehrplan vorgesehenen Stunden für bilinguale Module verwenden?)

Unbedingt notwendig ist aber ein erfahrener Big History Tutor, der die Lehrer und Schüler in diesem Projekt begleitet, und dafür sorgt, dass in diesem fächerübergreifenden Projekt alle Fächer des Lehrplanes zu einem gemeinsamen Ziel hin zusammengeführt werden. Damit wird gewährleistet, dass Big History, die zuvor beschriebene Funktion als Rahmen erfüllen kann.

Das Projekt endet damit, dass die Schüler ihre zu Beginn ausgefüllten Fragebögen und Concept-maps reflektieren, um zu sehen, was sie während des Projektes gelernt haben.

Von den Schülern erarbeitetes Video.

App Val d'Ossola