Was ist Big History?

Big History stellt die Geschichte der Menschheit in den größeren Zusammenhang der Geschichte des Lebens auf der Erde und diese wiederum in den größeren Zusammenhang der Geschichte des Planeten und des Sonnensystems und diese wiederum in den größeren Zusammenhang der Geschichte des Universums, das nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Konsens mit dem Urknall begann.


Big History trennt dabei zwischen dem, was wir ausreichend sicher wissen und den noch offenen Fragen und Spekulationen. Diese neue Entstehungsgeschichte ist getragen von dem Bemühen klar herauszustellen, dass Wissenschaft ein fortdauernder Prozess der Untersuchung und Beobachtung ist, eine fortdauernde Diskussion.

Dieser Prozess bringt kein absolutes Wissen hervor, macht aber auch deutlich, dass dies gar nicht nötig ist, denn wie wir jeden Tag sehen, wenn wir den Computer anschalten oder uns auf das Navi im Auto verlassen, sind wir in der Lage auf der Basis dieses ausreichend sicheren Wissens ziemlich zuverlässige technische Anwendungen zu bauen, die ihrerseits als Beleg dafür gelten können, dass die wissenschaftliche Methode der Erkenntnisgewinnung vertrauenswürdig ist. Jedes Mal, wenn wir technische Geräte benutzen, bringen wir selbst dieses Vertrauen zum Ausdruck.

Die einzelnen Menüpunkte beschreiben verschiedene Herangehensweisen an Big History, denen eines gemeinsam ist: das wissenschaftliche Fundament. Mehr zur wissenschaftlichen Methode unter dem Punkt Theorie.

Da die Geschichte von allem nach dem Urknall naturgemäß sehr umfangreich ist - immerhin geht es um einen Zeitraum von Schwindel erregenden 13,8 Milliarden Jahren - muss man als Erstes überlegen, worauf man sich in den Darstellungen konzentrieren will und was man zwangsläufig weglassen muss, nicht weil es unwichtig wäre, sondern weil das Ziel ist, einen Überblick zu gewinnen, der für interessierte Menschen verständlich ist, ob sie nun selbst Wissenschaftler sind oder nicht. Es kann ohnehin kein Einzelner mehr alles Wissen erfassen, was die Menschheit im Laufe der letzten paar Tausend Jahre angesammelt hat, seitdem man begonnen hatte, Dinge schriftlich festzuhalten. Auch Wissenschaftler kennen sich meist nur in ihrem jeweiligen Fachgebiet sehr gut aus, darüber hinaus sind sie ebenso Laien wie alle anderen auch.

Big History bietet eine neue Perspektive


In Big History ist die Natur nicht bloß eine Bühne für die Geschichte der Menschheit, denn auch die Natur hat ja eine Geschichte - die Naturgeschichte. In den Worten des Philosophen Armando Menéndez Viso, der im Routledge Companion of Big History, im Kapitel 7 Big History und Philosophie, die philosophischen Grundlagen von Big History untersucht und darstellt warum Big History Sinn ergibt: "„Die Natur spielt eine Rolle in unserem Tun, so wie wir eine Rolle spielen in der natürlichen Welt.“ (eigene Übersetzung) Viso sieht, wie auch Fred Spier, Alexander von Humboldts Kosmos als Modell für und Vorreiter von Big History. Natur wird als wahrhaftiger Teil der Geschichte betrachtet. "„Big History vereint Geschichte und Naturgeschichte, ohne auf eines davon reduziert zu werden.“ (eigene Übersetzung) Es bietet eine neue Perspektive, neben Geschichte (der Menschheit) und Naturgeschichte, nicht als Ersatz dafür.

Visos Worte bringen es auf den Punkt: „Big History ist mehr als die Menge an menschlichem Tun, das sich rund um den Globus ereignet hat, einschließlich der Geschichte der Welt im Allgemeinen mit all ihren natürlichen Bestandteilen. Auf der anderen Seite weicht Big History von der Naturgeschichte ab, indem sie eine ordentliche Geschichte ist, die nicht nur an der Beschreibung der Natur interessiert ist, sondern auch an den kausalen Erklärungen, die helfen, das Natürliche, den Menschen und die komplexen Zusammenhänge zwischen ihnen zu verstehen.“ (eigene Übersetzung)

Armando Viso benutzt eine sehr treffende Analogie, um das Verhältnis von Big History zu Geschichte zu beschreiben. Es ist dem Verhältnis von Biologie zu Ökologie sehr ähnlich. „Wenn die Biologie um die Zusammenhänge zwischen lebenden Organismen verschiedener Arten erweitert wird, erscheint Ökologie; wenn die Geschichte ausgedehnt wird, um die Zusammenhänge mit und innerhalb der natürlichen Welt zu erfassen, erscheint Big History. So wie die Ökologie die Biologie nicht ausschließt, sondern erhellt, so konkurriert die Big History nicht mit der Geschichte, sondern bereichert sie.“ (eigene Übersetzung)

In Big History wird die Menschheitsgeschichte im kosmischen Kontext betrachtet, somit ist die Big History Erzählung unser aller Geschichte. Es zeigt auf, wo wir herkommen und wo wir gerade sind in Zeit und Raum. Ebenso zeigt es uns, auf welche Weise wir Menschen mit allem, was uns umgibt, verbunden sind, von offensichtlichen Dingen, wie Pflanzen und Tieren, mit denen wir diesen Planeten teilen, bis hin zu Bergen, Tälern, Flüssen und Ozeanen. Aber auch über unseren Planeten hinaus mit dem einen nahen und den vielen fernen Sternen. Und sogar mit Lebensformen wie Bakterien, Viren und Pilzen, die so klein sind, dass wir Mikroskope benötigen, um sie zu sehen, während wir ihre Wirkung auf unseren Körper schon lange vor der Erfindung des Mikroskops spüren konnten. All das ist wichtig, wenn wir unsere Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten wollen.

Big History richtet sich an ein breites Publikum, nicht bloß an eine Handvoll Experten, wie andere Wissenschaftsfelder, sie bietet einen soliden Rahmen, um über die Welt, in der wir leben, nachzudenken.



Warum heißt es Big History?

Der Begriff Big History ist entstanden, als der Historiker David Christian 1991 in einem Aufsatz für das Journal of World History (Vol. 2, No. 2) die Frage aufwarf, in welcher Größenordnung Geschichte (history) untersucht werden sollte und den Vorschlag machte, dass Geschichte die gesamte Zeit (the whole of time) betrachten sollte. Was unweigerlich zu Größenordnungen führt, welche die Geschichte des Universums einschließen. In jenem Aufsatz beschrieb er den Kurs, den er seit 1989 an der Macquarie Universität lehrte und seine Erfahrungen mit Geschichte in diesen Größenordnungen. Er betonte aber auch, dass Big History nicht der Versuch sei, die traditionelle Geschichtswissenschaft zu ersetzen, die sich seitdem man eine Wissenschaft sein wollte, notgedrungen auf die Details konzentriert hatte, für die schriftliche Überlieferungen vorlagen.
Nur sei es jetzt eben an der Zeit, dass sich die Geschichtswissenschaft erneut wandelt und auch wieder die größeren Fragen von Sinnzusammenhängen, Bedeutung und Ganzheit in den Blick nimmt, die erst den Erkenntnissen der detailorientierten Geschichtswissenschaft einen Sinn geben. Es geht darum, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den gegensätzlichen Anforderungen an Details und Allgemeingültigkeit.

Somit ist Big History weder der Versuch, Geschichte zu ersetzen noch irgendein ein anderes Wissenschaftsgebiet wie Physik, Chemie, Biologie, Astronomie … (bzw. das entsprechende Schulfach, siehe Unterseite Bildung). Im Gegenteil, Big History speist sich aus all diesen Quellen, die nicht nur die Naturwissenschaften umfassen, sondern auch die Gesellschaftswissenschaften sowie Kunst und vor allem auch Sprache. Denn alle Geschichten werden mittels Sprache erzählt, und auch Bilder sind letztlich mit Sprache verknüpft.

Der Begriff Big History für dieses neue Forschungsfeld wird innerhalb der International Big History Association (IBHA) diskutiert, und einige halten z.B. Universalstudien (universal studies) für einen heute angemesseneren Ausdruck, da sich in den vergangenen (fast 30) Jahren immer mehr herauskristallisiert hat, dass Big History doch weit mehr ist als nur „große“ Geschichte und auch der Tatsache Rechnung tragen würde, dass Big History sehr viel Naturwissenschaft enthält. Es gehört eben alles zusammen, wenn man verstehen will, in was für einer Welt wir heute leben und was das bedeutet mit Blick auf die Zukunft … der Menschheit, allen Lebens auf der Erde, des Planeten selbst und schließlich des Kosmos als Ganzem.

Andererseits gibt es natürlich auch sehr gute Gründe, den Begriff Big History vorerst beizubehalten. Die bereits unter diesem Titel erschienene Literatur zum Thema ist einer davon.