Was ist Big History?

Es gibt viele Antworten auf die Frage, was Big History ist, und ich beginne hier mit einfachen Antworten, die ich im folgenden (Entdecken und Erkunden) erweitere und vertiefe.

Big History stellt die Geschichte der Menschheit in den größeren Zusammenhang der Geschichte des Lebens auf der Erde und diese wiederum in den größeren Zusammenhang der Geschichte des Planeten und des Sonnensystems und diese wiederum in den größeren Zusammenhang der Geschichte des Universums, das nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Konsens mit dem Urknall begann.

Man könnte auch sagen, Big History fragt nach den Voraussetzungen und Bedingungen unserer menschlichen Existenz. Für mich persönlich bedeutet das, unsere Situation als Menschen zu verstehen, welchen Bezug zur Natur haben wir und ist das ein Bezug, der sowohl unserem Wohlergehen als Menschen dient als auch der Regeneration der Natur.

Eine Geschichte vom Urknall bis zur Zukunft, wissenschaftlich fundiert, ist ein ziemlich großer Anspruch, aber eben auch ein Thema, das ein neugieriges Wesen anspricht. Endlich einen Überblick über alles erhalten, da konnte ich nicht widerstehen. Wie ich später herausfand, geht es mir da nicht alleine so. Ein Thema, das den Überblick über das Große Ganze verspricht hat schon zu früheren Zeiten die Menschen begeistert.

Nun ist eine Geschichte von allem nach dem Urknall naturgemäß sehr umfangreich  - immerhin geht es um einen Zeitraum von Schwindel erregenden 13,8 Milliarden Jahren - also muss man als Erstes überlegen, worauf man sich in den Darstellungen konzentrieren will und was man zwangsläufig weglassen muss, nicht weil es unwichtig wäre, sondern weil das Ziel ist, einen Überblick zu gewinnen, der für interessierte Menschen verständlich ist, ob sie nun selbst Wissenschaftler sind oder nicht. Es kann ohnehin kein Einzelner mehr alles Wissen erfassen, was die Menschheit im Laufe der letzten paar Tausend Jahre angesammelt hat, seitdem man begonnen hatte, Sachverhalte schriftlich festzuhalten. Auch Wissenschaftler kennen sich meist nur in ihrem jeweiligen Fachgebiet sehr gut aus, darüber hinaus sind sie ebenso Laien wie alle anderen auch.

Genau das aber ist auch einer der Knackpunkte an der ganzen Sache. Darauf komme ich also später noch zu sprechen.

Die Frage "Was ist Big History?" beantwortet man am besten im Zusammenhang mit der Frage "Was will man damit anfangen?" Zu beiden Fragen kehre ich immer wieder zurück


Big History bietet eine neue Perspektive


In Big History ist die Natur nicht bloß eine Bühne für die Geschichte der Menschheit, denn auch die Natur hat ja eine Geschichte - die Naturgeschichte. In den Worten des Philosophen Armando Menéndez Viso, der im Routledge Companion of Big History, im Kapitel 7 Big History und Philosophie, die philosophischen Grundlagen von Big History untersucht und darstellt warum Big History Sinn ergibt: "„Die Natur spielt eine Rolle in unserem Tun, so wie wir eine Rolle spielen in der natürlichen Welt.“ (eigene Übersetzung) Viso sieht, wie auch Fred Spier, Alexander von Humboldts Kosmos als Modell für und Vorreiter von Big History. Natur wird als wahrhaftiger Teil der Geschichte betrachtet. "„Big History vereint Geschichte und Naturgeschichte, ohne auf eines davon reduziert zu werden.“ (eigene Übersetzung) Es bietet eine neue Perspektive, neben Geschichte (der Menschheit) und Naturgeschichte, nicht als Ersatz dafür.

Visos Worte bringen es auf den Punkt: „Big History ist mehr als die Menge an menschlichem Tun, das sich rund um den Globus ereignet hat, einschließlich der Geschichte der Welt im Allgemeinen mit all ihren natürlichen Bestandteilen. Auf der anderen Seite weicht Big History von der Naturgeschichte ab, indem sie eine ordentliche Geschichte ist, die nicht nur an der Beschreibung der Natur interessiert ist, sondern auch an den kausalen Erklärungen, die helfen, das Natürliche, den Menschen und die komplexen Zusammenhänge zwischen ihnen zu verstehen.“ (eigene Übersetzung)

Armando Viso benutzt eine sehr treffende Analogie, um das Verhältnis von Big History zu Geschichte zu beschreiben. Es ist dem Verhältnis von Biologie zu Ökologie sehr ähnlich. „Wenn die Biologie um die Zusammenhänge zwischen lebenden Organismen verschiedener Arten erweitert wird, erscheint Ökologie; wenn die Geschichte ausgedehnt wird, um die Zusammenhänge mit und innerhalb der natürlichen Welt zu erfassen, erscheint Big History. So wie die Ökologie die Biologie nicht ausschließt, sondern erhellt, so konkurriert die Big History nicht mit der Geschichte, sondern bereichert sie.“ (eigene Übersetzung)

Big History richtet sich an ein breites Publikum, nicht bloß an eine Handvoll Experten, wie andere Wissenschaftsfelder, sie bietet einen Rahmen, um über die Welt, in der wir leben, nachzudenken.


Warum heißt es Big History?

Der Begriff Big History ist entstanden, als der Historiker David Christian 1991 in einem Aufsatz für das Journal of World History (Vol. 2, No. 2) die Frage aufwarf, in welcher Größenordnung Geschichte (history) untersucht werden sollte und den Vorschlag machte, dass Geschichte die gesamte Zeit (the whole of time) betrachten sollte. Was unweigerlich zu Größenordnungen führt, welche die Geschichte des Universums einschließen. In jenem Aufsatz beschrieb er den Kurs, den er seit 1989 an der Macquarie Universität lehrte und seine Erfahrungen mit Geschichte in diesen Größenordnungen. Er betonte aber auch, dass Big History nicht der Versuch sei, die traditionelle Geschichtswissenschaft zu ersetzen, die sich seitdem man eine Wissenschaft sein wollte, notgedrungen auf die Details konzentriert hatte, für die schriftliche Überlieferungen vorlagen.
Nur sei es jetzt eben an der Zeit, dass sich die Geschichtswissenschaft erneut wandelt und auch wieder die größeren Fragen von Sinnzusammenhängen, Bedeutung und Ganzheit in den Blick nimmt, die erst den Erkenntnissen der detailorientierten Geschichtswissenschaft einen Sinn geben. Es geht darum, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den gegensätzlichen Anforderungen an Details und Allgemeingültigkeit.

Somit ist Big History weder der Versuch, Geschichte zu ersetzen noch irgendein ein anderes Wissenschaftsgebiet wie Physik, Chemie, Biologie, Astronomie … . Im Gegenteil, meinem Verständnis nach sollte sich Big History aus all diesen Quellen speisen, die nicht nur die Naturwissenschaften umfassen, sondern auch die Gesellschaftswissenschaften sowie Kunst und vor allem auch Sprache. Denn alle Geschichten werden mittels Sprache erzählt, und auch Bilder sind letztlich mit Sprache verknüpft.