Big History und Werte.
In meinem persönlichen Wertekompass heiligt der Zweck nicht die Mittel. Im Gegenteil, es sind die Mittel, die am Ende bestimmen, welchen Zweck man erreicht. Daher finde ich es auch wichtig das Thema Werte im Zusammenhang mit Big History zu betrachten.
Jeder Mensch denkt darüber nach, Wissenschaft als Ganzes dann aber irgendwie nicht?
Es kommt durchaus auch in Big History selbst zum Ausdruck.
Being a good ancestor - ein guter Vorfahre sein - war der Titel des ersten Online Symposiums im Jahr 2020 als die eigentlich geplante IBHA Konferenz wegen der Corona Pandemie nicht stattfinden konnte.
Es geht nicht einfach nur darum als Spezies das sechste Massensterben zu überleben, an dem unsere Spezies einen nicht unwesentlichen Anteil trägt. Es wird für diejenigen, die nach uns leben, von großer Bedeutung sein, was wir getan haben, um zu überleben.
Sie werden nämlich mit den Konsequenzen dessen leben müssen, was wir getan haben, welche Werte wir gewählt haben und wie wir ihnen gerecht geworden sind oder sie verraten haben. Solche Betrachtungen kommen mir in der Art und Weise, wie Big History bislang erzählt wird, deutlich zu kurz.
Auch für Big History gilt: Wie wir die Geschichte erzählen, was wir für erforschenswert halten oder zu unserer Priorität machen, hängt von den Werten ab, für die wir uns entscheiden. Daher sollten wir Werte wählen, auf die spätere Generationen stolz sein können und für die sie sich nicht schämen müssen.
Überleben ist wichtig, aber es ist nicht wichtiger als das, worauf wir zurückblicken werden. Wenn wir nicht überleben, wird niemand zurückblicken, aber diejenigen, die überleben, werden zurück blicken. Sie werden sehen, was wir heute getan haben, welche Werte wir gewählt haben und wie wir uns gegenüber unseren Mitmenschen, allen anderen Lebewesen und sogar unbelebter Materie verhalten haben. Wie wir uns selbst in Bezug auf all diese anderen gesehen haben.
Wenn unsere Beziehung eine der Dominanz, der Naturbeherrschung, war, dann ist sogar die sogenannte "Stewardship" des Planeten immer noch eine Beziehung der Dominanz gegenüber anderen menschlichen und mehr-als-menschlichen Lebewesen.
Ist unsere Beziehung eine der Unterdrückung unserer Mitmenschen und anderer Lebewesen oder finden wir Wege, einander als Selbstzweck (Christian Uhle) zu sehen und nicht bloß als Mittel zum Zweck, das uns Menschen gegenüber anderen, ob Menschen oder andere Lebewesen, begünstigt, das uns Menschen mehr wertschätzt und andere als minderwertig, ausbeutbare Rohstoffe und/oder entbehrlich ansieht?
Unsere Werte sind so wichtig, und doch befassen sich die meisten Big History Forscher mit der Suche nach der Weltformel für (Big) History, mit (zu messender) Komplexität und Mustern, die eine Wissensbasis erfordern, die für die breite Öffentlichkeit schlicht unerreichbar ist.
Das gute Leben
Auch David Christian hat die Frage nach dem guten Leben für wichtig befunden, wie seine Antwort auf die Frage des Jahres 2013 Worüber sollten wir uns Sorgen machen? - auf der Plattform Edge zeigt.
Die Frage nach dem guten Leben, so befand er damals ist aus unserem Blickwinkel verschwunden, obwohl sie doch so wichtig ist und grundlegendes Ziel öffentlicher Politik ist. (Jedenfalls sollte sie das sein, aber ist sie das wirklich?)
Nur beantwortet unsere moderne Gesellschaft die Frage ausschließlich in quantifizierbaren ökonomischen Kennzahlen, wie dem BIP, welches immerfort wachsen muss. Wir setzen Wirtschaftswachstum mit dem guten Leben gleich. Aber dem ist nicht ganz so, denkt David Christian. Die Geschichte vom Wachstum sei nur zu 50 % richtig - „Um ein gutes Leben zu führen, brauchen wir Nahrung, Sicherheit und Schutz vor den Elementen, und wir müssen Energie und Ressourcen einsetzen, um diese Güter bereitzustellen. Versuche von Psychologen, das „subjektive Wohlbefinden” zu messen, stützen die offensichtliche Schlussfolgerung, dass die Anhebung des Konsumniveaus über die Armutsgrenze hinaus für unser Wohlbefinden und unsere Zufriedenheit von grundlegender Bedeutung ist. Ein grundlegendes Minimum an materiellem Konsum ist tatsächlich die unverzichtbare Grundlage für ein gutes Leben.“ (Jeweils meine Übersetzung)
Aber zu 50 % sei die Idee des Wachstums eben auch falsch: „Es ist in zweierlei Hinsicht falsch: Es vermittelt ein unzureichendes Verständnis vom guten Leben und führt uns in Richtung ökologisches Chaos.“
So hat das gute Leben viele Elemente, die sich durch noch mehr Konsum nicht befriedigen lassen: „Dazu gehören: Freundschaft, Empathie, Freundlichkeit und Großzügigkeit, gute Gespräche, Sinn für Schönheit, körperliches Wohlbefinden und Sicherheit, Zufriedenheit, Intimität, Humor und Freude an guten Ideen.“ Und unsere ökonomischen Kennzahlen können diese wichtigen Elemente gar nicht messen. Dazu zitiert er sogar J.F. Kennedy aus einer Rede 1968 kurz vor seinem gewaltsamen Tod. Das Zitat endet so: das BIP misst alles ausgenommen dem, was das Leben lebenswert macht. (sinngemäß)
Und was noch schlimmer sei, so David Christian, die Geschichte vom Wachstum steuert uns auf eine ökologische Katastrophe zu. Sie zerstört die materielle Grundlage unserer Existenz. Dennoch können wir scheinbar nicht davon ablassen, diese Geschichte vom Wachstum zu erzählen, daran festzuhalten, obwohl wir wissen, dass das gute Leben so nicht verwirklicht werden kann.
Wahrlich eine wichtige Frage, auch im Jahre 2025.
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